Deutsche Gesellschaft für Schiffahrts- und Marinegeschichte e.V.
Deutsche Gesellschaft für Schiffahrts- und Marinegeschichte e.V.

Schiffsmodelle

Schiffsmodelle und Schiffsmodellbau, negativ gesprochen „Spielzeug“  und eine wissenschaftlich-historische Gesellschaft, wie passt das denn zusammen?
 
Dabei haben gerade Schiffsmodelle, dazu gehören Teilmodelle, Lehrmodelle, Spielzeug, Werbemodelle, Konzeptmodelle und auch Rekonstruktionen, einen sehr interessanten wissenschaftlich-historischen Bezug, der über mehrere tausend Jahre zurückreichen kann, Rückschlüsse über damaligen Schiffbau zulässt und eine ergänzende Quelle zur Schiffbaugeschichte darstellen kann.
 
Selbst antike Spielzeugschiffe, von denen nach heutigen Erkenntnissen Exemplare bekannt sind, die ihren Ursprung im 9. Jahrhundert haben, haben in Archäologiekreisen mittlerweile einen gewissen Stellenwert und können eine Quelle für die Interpretation von vollwertigen Schiffen, die hypothetische Rekonstruktion von Rumpfformen und die Erforschung neuer Definitionsweisen unbekannter Schiffstypen sein.
 
Schiffsmodelle können dabei Teil der Sozialgeschichte, Kulturgeschichte und auch Wirtschaftsgeschichte sein. 
 
Schiffsmodellbau früher
 
Schiffsmodelle gab es schon in vorägyptischer Zeit, so ist einer der ältesten Nachweise eines Segelschiffes ein ca. 4000 Jahre altes Tonmodell, das in Mesopotamien gefunden wurde und heute im Israel Museum in Jerusalem zu bewundern ist.
Die ersten fein modellierten Schiffsmodelle sind Grabbeigaben des Pharaos Tutenchamun (1333-1324 v.Chr.) gewesen, die ebenfalls einen Eindruck von damaliger Schiffsbaukunst geben.
 
Auch gefundene Reliefs, die man heute als „Halbmodelle“ bezeichnen würde, gehen in die Zeiträume des römischen Schiffbaus zurück, zeigen Triremen von 200 v.Chr. und bilden somit auf ihre Weise Schiffsbaukunst damaliger Zeit ab.
Das Ebersdorfer Koggenmodell des frühen 15. Jahrhunderts | Foto: Wikipedia *

Das unter Historikern bekannte Ebersdorfer Koggenmodell, ein hölzernes Schiffsmodell und Votivgabe des frühen 15. Jahrhunderts, ist ein vorbildähnliches Modell, das Rückschlüsse über Koggenbau damaliger Zeit zulässt. So bestätigten spätere Koggenwrackfunde, die die tatsächliche Bauweise belegen, den Vorbildcharakter des Modellschiffs, der somit von Historikern als ergänzende Quelle angesehen wird, da Wrackfunde und Modell weitestgehend übereinstimmen.

 

Das Mataró-Modell, frühes 15. Jahrhundert | Foto: Wikipedia **

Das Mataró-Modell, ein hölzernes Modell ebenfalls aus dem frühen 15. Jahrhundert, gilt als ein wichtiges Dokument für die Rekonstruktion der Nao „Santa Maria“ von Christoph Kolumbus, scheint den Wechsel vom Ein- zum Mehrmastschiff abzubilden und ergänzt bildliche Quellen der Santa Maria durch seine Dreidimensionalität.

 
Im 16. Jahrhundert sind konkurrierende Schiffbauer dann dazu übergegangen, detaillierte Schiffsmodelle zu bauen, um ihre Geldgeber von den Vorzügen des eigenen Schiffs  gegenüber dem des Konkurrenten anhand des Modells zu überzeugen. So hat die Venezianische Republik sich 1525 Schiffsmodelle vorlegen lassen, um besser Entscheidungen bezüglich des eigenen Schiffbauprogramms fällen zu können.
 
Ab 1670 wurden in Dänemark von den Schiffbauern sogar Modellentwürfe per Dekret gefordert. Dass es etwas ähnliches auch in England gab, belegt das derzeit älteste erhaltene Werft- bzw. Dockyardmodell, das aus dem Jahr 1655 stammt.
Das Hohenzollernmodell von ca. 1660/1670 | Foto vom unrestaurierten Modell aus dem Jahr 1922 von Christoph Voigt ***

Das Hohenzollernmodell, ein Werftmodell eines niederländischen Kriegsschiffs mit zwei durchgehenden Batteriedecks, war ein unverfälscht dokumentiertes niederländisches Schiffsmodell  des 17. Jahrhunderts, welches einer technischen Dokumentation entsprach. Es stand auf authentische Weise für die Schiffbaugeschichte des 17. Jahrhunderts und ist von einem Historiker mittels Fotografie dokumentiert worden, bevor es im 2. Weltkrieg leider zerstört wurde. Die Besonderheit war dabei das Innenleben des Modells, das bis ins kleinste Detail wiedergegeben war und somit für den historischen Schiffbau ein wichtiges Dokument darstellt.

1,44 m langes und über 200 Jahre altes Knochenschiff "Chesapeake" im Internationalen Maritimen Museum Hamburg | Foto: Stephan Karraß ****

Einige sehr interessante Schiffsmodelle, die in Hamburg sehr bekannt sind, weil es dort 38 der weltweit 450 existierenden Schiffsmodelle in Museen zu sehen gibt, sind die Knochenschiffmodelle. Diese Modelle erzielen aufgrund ihrer Seltenheit auf Auktionen nicht selten Preise von bis zu 100.000 Euro.

 

Dabei handelt es sich um mehrere Jahrhunderte alte Schiffsmodelle aus meist Knochen von Essensresten oder auch Walknochen, die während der Napoleonischen Kriege (1792-1815) von überwiegend französischen Kriegsgefangenen in britischen Gefängnissen entstanden sind.

 

Die inhaftierten Modellbauer, die vor ihrer militärischen Verwendung z.B. Uhrmacher, Juweliere oder Möbelschnitzer waren, bauten mit mehreren Mithäftlingen und teilweise über einen Zeitraum von bis zu einem Jahr an einem solchen Modell. Selbiges wurde dabei oftmals aus den eigenen Erinnerungen heraus gefertigt, da es nicht selten auch das Schiff abbildete, auf denen die Kriegsgefangenen zuvor selber gefahren sind.

 

Die Häftlinge erledigten - natürlich für Vergünstigungen im Rahmen ihrer Gefangenschaft - sogar Auftragsarbeiten: So fertigten sie auch ein Abbild der HMS Victory, dem Flaggschiff von Admiral Horatio Nelson, auf dem selbiger in der Seeschlacht von Trafalgar 1805 den Tod fand. Dieses Knochenschiffmodell wurde später auf dem Sarg des verstorbenen Admirals platziert und befindet sich heute im US Naval Academy Museum in Annapolis (Maryland, USA).  

 

Somit bilden auch diese Schiffsmodelle in gewisser Weise zeitgenössische Elemente des Schiffbaus ab, der zu damaligen Zeiten vorherrschte und bietet dem Betrachter aus heutiger Zeit einen sehr interessanten zeitgenössischen Einblick in den Phänotypus damaliger Schiffe, auch wenn Experten davon ausgehen, dass nicht alle Schiffsdetails dem originalem Vorbild entsprachen, sondern manchmal zu Gunsten einer imposanteren Darstellung geschönt dargestellt sind.  

Ab ca. 1900 bekamen hydrodynamische Schiffsmodelle zunehmend an Bedeutung, indem diese in den ersten Schiffbau-Versuchsanlagen benutzt wurden, um damit Widerstands- und Propulsionsversuche, Nachstrommessungen, Farbanstrich-, Manövrier- und Eisversuche durchführen zu können und die gewonnenen Erkenntnisse an echten Schiffen angewandt werden konnten.

 

Auch kamen in den Weltkriegsjahren vermehrt speziell lackierte Schiffsmodelle, meist im Maßstab 1:500, zum Einsatz, wenn es darum ging, die Effektivität eines Tarn- oder Dazzle-Musters durch einen Entfernungsmesser oder ein U-Bootperiskop auf einem Modell betrachtet zu beurteilen, bevor das Muster auf echten Schiffen dann zum Einsatz kam. Die Berufsgruppe Camoufleur, auch Camouflage-Officer, machte sich also Modellbau zum Nutzen, um die Wirkweise der Lackierungen beurteilen zu können und so das Optimum zu finden, damit Angriffe fehlgeleitet werden und um so Sachwerte und Menschenleben zu schützen.

Experimentierstation für Effektlackierungen auf Schiffen *****

Bis heute gibt es vielfältige Formen von (historischem) Schiffsmodellbau - vermutlich sogar weiter verbreitet, als zu damaligen Zeiten:

Historischer Modellbau heute

 
Historischer Modellbau ist aus heutigen Museen nicht mehr wegzudenken, unterhalten doch einige Museen wie z.B. das Internationale Maritime Museum in Hamburg sogar eigene Modellbauwerkstätten, um Instandsetzungen, Restaurationen oder ggf. sogar Neubauten für das Museum selber durchführen zu können.
 
Nicht selten sind aber auch private –professionelle- Modellbauer am Werk, um nach Vorgaben des jeweiligen Museums historische Schiffsmodelle zu bauen, damit diese einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden können. Diese Modelle geben dem Betrachter eine dreidimensionale Vorstellung davon, wie ein Schiff aus damaliger Zeit nach bisher vorherrschenden Erkenntnissen ausgesehen haben könnte. Je detaillierter das Modell ist, umso eher erschließt sich für den Betrachter auch die Funktionsweise damaliger maritimer Technik und das Können damaliger Schiffbauer.
 
Meistens fließen wissenschaftlich-historische Erkenntnisse in den Bau eines solchen Modells ein und spiegeln zum Fertigungszeitpunkt des Modells den gegenwärtigen historischen Kenntniszustand wider, der sich im Laufe der Zeit durch die Gewinnung neuer Erkenntnisse, zum Beispiel durch einen Wrackfund, aber durchaus auch mal ändern kann.
Aus der heutigen Museumslandschaft nicht mehr wegzudenken: Schiffsmodellbau | Modell der Jesus von Lübeck im Sankt-Annen-Museum Lübeck| Foto: Stephan Karraß ******

Im meist generationenübergreifenden privaten Bereich ist historischer Modellbau ein überwiegend kommerziell geprägtes Breitenhobby, das aber trotzdem sehr große Schnittmengen mit der Schifffahrts- und Marinegeschichte hat.

 

Egal welche Herangehensweise der Modellbauer wählt, ob er nun auf ein Bausatzsystem und diverse Zubehörteile, sog. Upgrades zurückgreift oder das Modell komplett aus eigengefertigten Teilen („Scratchbau“) zusammensetzt, in der Regel erfolgt vor dem Bau ein ausführliches Studium von Bauplänen (sofern vorhanden), historischen Fotos und anderen Bildnissen, von Geschichte und Besonderheiten des Schiffes bzw. des jeweiligen Bastelobjektes.

 

Schnell ist hier ein Fachbuch wie z.B. ein Typenatlas oder ein Fachbuch eines Historikers auf dem Basteltisch, das ausschließlich das zu fertigende Schiff oder die Schiffsklasse zum Thema hat.

Im Internet wird parallel möglichst nach Originalfotos oder Gemälden Ausschau gehalten, um einen möglichst authentischen Eindruck vom Schiff zu erhalten,  bestimmte technische Details zu erfassen und diese am Modell darzustellen, sofern der Maßstab hierfür geeignet ist.

Luftbild oder Diorama? Mit heutigen Mitteln lassen sich viele Situationen darstellen - bis hin zur Nachstellung von ganzen Schlachten | Modelle der USS Tennessee (BB-43) und USS Colorado (BB-45) | Foto & Modelle: Stephan Karraß

Oft streift hierbei die Recherche also den Bereich

 

- der Kunstgeschichte,

- der dokumentierenden Fotografie,

- der maritimen Technik- und

- der Schiffbaugeschichte, ganz abgesehen von

- Militärgeschichte und

- militärischer Technikgeschichte.

 

Je größer das Modell werden soll, umso mehr möglichst authentische Details müssen vom Modellbauer ermittelt und bautechnisch gelöst werden.

 
Geht es um die Farbgestaltung des Modells und ist ein zeitgenössisches Gemälde vorhanden, kommt man relativ schnell zu einem Ergebnis, wie das Modell lackiert werden soll, wobei auch diese Bildnisse Interpretationsspielraum des Künstlers oder Aufraggebers beinhalten können.
 
Insbesondere bei schnell innerhalb einer Kriegsperiode wechselnden Tarnschemen von Schiffen des 1. oder 2. Weltkrieges landet man hingegen schnell bei Sekundär- und Tertiärliteratur, die meist auf akribischen Recherchen basierend die Ergebnisse zusammenfasst und dem Modellbauer eine interessante Auswahl an Farbgebungen offeriert, die sich mit Airbrush- oder Pinseltechnik recht sauber umsetzen lässt – vielleicht sogar in einem passenden Diorama.
 
Dabei lassen moderne Fertigungstechniken die Modelle und ggf. Umgebungen immer realitätsnaher erscheinen, so dass sich ein Foto vom Modell aus bestimmten Perspektiven und Abständen kaum mehr von Originalfotos unterscheiden lässt.
Ein "stark beanspruchtes" Kleinst U-Boot Typ XXVII B / 127 (Seehund) in der Modellwerft

Mittlerweile sind Alterungsdarstellungen möglich, so dass die Modelle wie mehrere Monate benutzte Schiffe aussehen können, mit sämtlichen Rost-, Öl-, Ruß- und Verschmutzungsphänomenen wie bei den "großen" Schiffen.

 
Sehr gut darstellbar sind mit heutigen Mitteln beispielsweise Vergleiche von bestimmten Schiffen oder Schiffstypen. Aber auch die Darstellung ganzer Schlachten oder Schiffgefechte oder einer besonderen Situation lassen den Betrachter taktische Entscheidungen oder das Ausmaß bestimmter Kriegs- oder Wetterauswirkungen wie z.B. einem Überlebenskampf während einer Sturmfahrt oder während des Sinkens des Schiffes aus einer sinnbildlichen "Helikopterperspektive" nacherleben.
 
Stephan Karraß

Maritim-historischer Schiffsmodellbau in der DGSM

 

Viele maritim interessierte Menschen haben irgendwo zu Hause oder auf der Arbeit ein maritim-historisches Modell stehen - einige unserer Mitglieder bauen diese sogar selber. Gewinnen Sie einen Einblick, wie mit modernen Mitteln ein historisches Schiffsmodell entsteht, und schauen Sie sich gerne die tollen Modelle an. Klicken Sie hierfür auf den nachfolgenden Link.

* Foto des Ebersdorfer Koggenmodells "File:Schiffsmodell Ebersdorf.jpg" stammt aus den Wikipedia Commons und ist dort am 03.01.18 als gemeinfrei eingestuft, da der Autor "posi66" das Bild entsprechend lizensiert hat.

**Foto des Mataró-Modells "File:WLANL - Sandra Voogt - Mataro Model (Matarowand) (2).jpg" stamt aus den Wikipedia Comons und ist dort unter der Lizenz Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic abgelegt. Foto: Sandra (www.sandravoogt.com)

***Foto der Hohenzollernmodells "File:Voigt Hohenzollernmodell01.jpg" stammt aus den Wikipedia Commons und ist dort am 03.01.18 als gemeinfrei eingestuft, da der Autor vor über 70 Jahren verstorben ist

**** Foto aus 2016, Internationales Maritimes Museum Hamburg, mit freundlicher Genehmigung  und Unterstützung des IMMH

*****Foto der Experimentierstation, "File:Camouflage - Experiments - Experimental station for testing camouflage designs. Testing dazzle painting or camouflage for ships. The minature ship is placed in position with screen of water in background. The exp(...) - NARA - 20808958.jpg" stammt aus den Wikipedia Commons und ist dort am 21.04.22 als gemeinfrei eingestuft, da das Bild aus dem Jahr 1917-1918 stammt und nach deutschem Urheberrecht somit als gemeinfrei gilt.

******Foto aus 2016, Sankt-Annen-Museum Lübeck, mit freundlicher Genehmigung  und Unterstützung der Hansestadt Lübeck, Kunsthalle St. Annen

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