Tatsächlich gibt es einen engen Bezug zwischen Fliegerei und Schifffahrt, der in der Marinefliegerei vereint ist: gliedert sich die "Marine" doch in Einheiten
- auf und unter Wasser,
- an Land und
- in der Luft,
wobei die fliegenden Einheiten dabei dann idealerweise dem Flottenkommando unterstehen. In heutigen Zeiten, in denen über 13 Milliarden US Dollar teure Flugzeugträger über die Weltmeere schippern, ist Schifffahrt und Marinefliegerei ohnehin nicht mehr zu trennen.
Marinefliegerei begann aber nicht etwa gleich mit dem Bau von Flugzeugträgern - sie hat eine längere Geschichte, als man zuerst glauben mag:
Die geschichtlichen Anfänge der Marinefliegerei gehen auf das Jahr 1888 zurück, als zuerst die französische Marine einen Luftschiffpark und eine Luftschiffschule in Lagoubran (bei Toulon) unterhielt und in den Folgejahren mit ersten Aufklärungsflügen im Rahmen von Marinemanövern begann. Andere Nationen zogen schnell nach, da sich durch die marineangebundenen Flieger und deren Aufklärungsfähigkeiten Flotten zum Beispiel sicher durch Minenfelder manövrieren ließen, Feindschiffe besser aufgeklärt werden konnten und die auf den eigenen Schiffen befindlichen Geschützbesatzungen genauere Feuerleitangaben erhielten, als es von den Schiffsbeobachtungsposten aus möglich war.
In Deutschland begann die Marinefliegerei 1913, bei der insbesondere Marineluftschiffen eine gewichtige Bedeutung zukam, die für die Seeaufklärung und Seenotrettungskoordinierung über Nord- und Ostsee eingesetzt wurden.
Es dauerte dann auch nicht lange, bis erste Flugzeuge in den Marinen auftauchten, deren begrenzte Reichweite dann aber auch schnell das Bedürfnis aufkommen ließ, schwimmende Startbahnen direkt auf dem Wasser zu unterhalten. Aus diesem Bedürfnis erwuchsen schließlich erste Flugzeugmutterschiffe, übrigens zuerst 1913 auch wieder in Frankreich mit dem Flugzeugtransportkreuzer "Foudre", von denen aus schwimmfähige Flugzeuge starten und dann nach dem Einsatz wieder von einem Bordkran aufs Mutterschiff gehievt werden konnten.
Kurze Zeit später entwickelten sich aus diesen Schiffen die echten Flugzeugträger: der erste vollwertige Flugzeugträger für Radflugzeuge war die britische "HMS Argus", die ursprünglich ein Kreuzfahrtschiff werden sollte und in der Werft dann zum Flugzeugträger mit eigenständiger Start- und Landebahn umgebaut wurde.
Flugzeugträgereinsätze und damit die Marinefliegerei gewannen während des Zweiten Weltkrieges immer mehr an Bedeutung.
Selbst für das Deutsche Reich wurden zwei Flugzeugträger in Auftrag gegeben, die im Bremerhavener Nordhafen ihren Liegeplatz gehabt hätten und für die als Operationsgebiet die Nordsee vorgesehen war. Ein 1940 verhängter Baustopp beendete dann allerdings im Zeichen kriegsbedigter knapper Materialressourcen die Planungen - übrigens wurden ebenso Baustopps für größere geplante Schlachtschiffe verhängt (H-Klasse), die angefangen und nicht vollendet wurden.
Ereignisse wie der trägergestützte japanische Angriff auf Pearl Harbor (1941) oder die Seeschlacht um Midway (1942) waren Schlüsselereignisse, die als Wendepunkte im damaligen Kriegsgeschehen angesehen wurden und zu einem Paradigmenwechsel in Sachen Marineschiffbau und Marinetaktik geführt haben - Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer verloren an Bedeutung, auch wenn es noch bis in die 1990er Jahre dauern sollte, bis die letzten Schlachtschiffe endgültig außer Dienst gestellt wurden.
Selbst in der Nachkriegszeit, in der Erfindungen wie Düsenantrieb, Senkrechtstarts- und Landungen und Stealth-Eigenschaften Einzug in die Marinefliegerei fanden, spielen Flugzeugträger nach wie vor bis in die Jetztzeit eine gewichtige Rolle in der Ausübung von Seemacht - manchmal reicht eine Verlegung in ein Krisengebiet, um als beachtenswerte und eskalationshemmende Drohgebärde wahrgenommen zu werden.
China sieht seinen Flugzeugträger "Liaoning" als "Totem des Meeres", also gewissermaßen als "nationalen Schutzgeist", während die US-Navy ihre Träger für die "effektivsten Diplomaten der Welt" hält.
Allerings scheint sich aufgrund der konsequenten Weiterentwicklung von Waffen und Waffenträgern die Zeit der Flugzeugträger auch langsam dem Ende zuzuneigen, gibt es doch gewichtige Stimmen von Marinefunktionären, die im Zeitalter von Hyperschallraketen, Superkavitations-Torpedos, kaum zu ortenden U-Booten und theoretisch möglichen Schwarmangriffen durch Drohnen eine schwimmende Landebahn in Form eines sehr kostspieligen Flugzeug- oder Hubschrauberträgers als zu verwundbar ansehen.
China macht es derzeit im Südchinesischen Meer vor: Das Aufschütten von Inseln mitten ins Meer und der Bau von Landebahnen auf diesen Inseln scheinen ein adäquater Flugzeugträgerersatz zu sein, den man nicht einmal versenken kann.
Stephan Karraß
Bildernachweis:
*Fotos 12/2018 mit freundlicher Genehmigung des Aeronauticums Nordholz (käufliche Fotolizenz bei Museumsbesuch)
** Die Datei "File:H63225" stammt von den Wikipedia Commons. Das Foto wurde 1918 von einem Marineangehörigen der Royal Navy während der Dienstzeit aufgenommen und galt zum Abrufzeitpunkt 27.01.20 als gemeinfrei.
***Die Datei "File: USS Antietam flight deck 1945.jpg" stammt von den Wikipedia Commons. Das Foto wurde 1945 von einem Marineangehörigen der US Navy während der Dienstzeit aufgenommen und galt zum Abrufzeitpunkt 28.01.20 als gemeinfrei.