Deutsche Gesellschaft für Schiffahrts- und Marinegeschichte e.V.
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Geschichte der Binnenschifffahrt

Nachbau eines mittelalterlichen Salzewers auf der Ilmenau in Höhe der Hansestadt Lüneburg, die ihren damaligen Reichtum der Salzförderung verdankte | Foto: Stephan Karraß

Die Binnenschifffahrt hat wohl die längste Geschichte aller Sparten der Schifffahrt, denn bevor der Mensch sich auf die hohe See wagte, war er mit dem Problem der Überquerung von Flüssen und Binnenseen konfrontiert. Ein Baumstamm bot sich dafür als erstes Hilfsmittel an. Da dieser sehr instabil war, d.h. zum Kippen neigte, bedeutete es einen großen Fortschritt, diesen etwa durch Verbindung mehrerer Stämme zum Floß oder durch Aushöhlen zum Einbaum zu entwickeln. Wie viele Jahre oder Jahrtausende diese Weiterentwicklung in Anspruch nahm, wissen wir nicht. Aber beide Formen sind noch heute in Gebrauch. Dabei dient das Floß vor allem dem Transport des Holzes aus dem es besteht - auch über See  - während der Einbaum für seinen Bau keiner weiteren Materialien bedarf, nur weniger Werkzeuge. Auf den traditionellen Holzschiffen in der indonesischen Küstenschifffahrt werden daher noch heute Einbäume als Beiboote verwendet.

 

Indonesische Kinder lernen spielerisch das Boofahren in Einbäumen | Foto: Arnulf Hader

Bis heute hat sich aus den primitiven Anfängen eine breite Vielfalt von Schiffstypen auf Flüssen, Kanälen und Binnenseen entwickelt, entsprechend den zahlreichen Typen der Seeschifffahrt. Da sind für Massengut und Stückgut verwendbare Trockenfrachter, Containerschiffe, Tanker, Gastanker, RoRo-Schiffe, Autofähren, Personenfähren, Ausflugs-schiffe, Kreuzfahrtschiffe sowie eine breite Palette von Sportbooten, Fischerbooten, Arbeits- und Behördenfahrzeugen.


Es gibt jedoch zwei wesentliche Unterschiede zur Seeschifffahrt:


1.)  Die Dimensionen der Fahrzeuge werden nicht allein durch die Möglich- 
      keiten der Schiffbautechnik und Wirtschaftlichkeit bestimmt, sondern
      durch die Breite und Tiefe der Gewässer, die Höhe der Brücken, die
      darüber hinweg führen, sowie die Maße der Schleusen.

2.)  Im Gegensatz zur weltweiten Seefahrt haben sich auf Binnengewässern
      regional begrenzte Lösungen entwickelt, da jede Region andere
      Anforderungen stellt und die Binnenschiffe nicht die See überwinden
      können, welche die Flusssysteme trennt.

KAISER WILHELM - dampfbetriebenes Flussschiff, Bj. 1899, auf der Elbe bei Lauenburg | Foto: Stephan Karraß

Kreuzfahrtschiffe belegen diese Unterschiede sehr augenfällig. Auf dem Nil sind sie meist nicht länger als 73 m und breiter als 14 m, da zwischen den Bauwerften nahe Kairo und dem Einsatzgebiet weiter flussaufwärts eine Schleuse liegt, die keine größeren Dimensionen zulässt. Am Yangtse haben die wenigen Schleusen Panamax-Maße und die Brücken Höhen über 20 m, was dort die größten Flusspassagierschiffe weltweit ermöglicht. Am Mekong oder Irrawaddi sind die Schiffe sehr klein und flach, da beide Flüsse nicht reguliert sind. Russische Schleusen lassen oft eine Breite von fast 17 m zu, während in Europa Schiffe mit einer Breite von mehr als 12 m nur auf der Donau oder dem unteren Rhein fahren können. Die Brücken führen zu einer Höhenbeschränkung auf 6,0 m, wozu am Sonnendeck alles flachgelegt und das Ruderhaus abgesenkt wird.

Trotzdem gibt es auch auf Flüssen spektakuläre Fahrzeuge, etwa auf dem Mississippi, wo Massengut mit Schubschiffen transportiert wird, die mehrere Leichter hintereinander und nebeneinander gekoppelt haben. Am Rhein dürfen es nur sechs in einem Verband sein. Zur Zeit der Dampfschifffahrt hat ein Schlepper eine ähnliche Zahl von Schleppkähnen hinter sich hergezogen. Wer weiß schon noch, dass früher in manchen Flüssen eine lange Kette lag, an denen sich die Ketten-Schleppdampfer entlang zogen? Lange Zeit wurde an Flüssen getreidelt, d.h. Tiere oder Menschen zogen die Lastkähne. Nur einschließlich dieser Art der Fortbewegung ist es erklärbar, dass China angibt 10.000 km schiffbarer Flüsse zu haben. Denn außer dem Yangtse, dem Kaiserkanal oder kurzen Abschnitten anderer Gewässer gibt es kaum nennenswerte Flussschifffahrt in dem riesigen Land. Am Yangtse jedoch hebt seit 2016 ein Schiffslift mit 120 m Länge und

18 m Breite Schiffe in einem Zug 113 m hoch über den großen Damm.

Schubverband von Lastkähnen | Foto (Binnenschiffahrtsmuseum Lauenburg) : Satu Panzner

Die Binnenschifffahrt bietet noch viele historische Themen zur Erforschung an. Dennoch ist sie auch vielerorts dokumentiert. Wie an den Küsten gibt es auch an Flüssen zahlreiche Museen und historische Fahrzeuge, die von der Vergan-genheit Zeugnis ablegen. Da sie oft regionale Schwerpunkte setzen, ist die Vielfalt kaum überschaubar. Sie reicht vom Einbaum über römische Funde und die Dampfschifffahrt bis in die Neuzeit. Eine ähnliche Bandbreite bietet die Literatur, vor allem regional betrachtet. 


Arnulf Hader

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