Unter maritimer Navigation (lat: navigare, „Führen eines Schiffes“, Alt-Indisch: navgathi ) versteht man die „Steuermannskunst zu Wasser“, was auch Bezüge zur Nautik (Schifffahrtskunde) herstellt und mit dieser einige Schnittmengen aufweist. Zielsetzung der Navigation ist dabei, unter Berücksichtigung der gegenwärtigen eigenen Position auf dem Wasser (Lokalisierung) eine optimale Route zu einem Zielpunkt festzulegen.
Schon die Ägypter segelten vor ca. 4000 Jahren nachweislich nach Punt („Goldland“), einer Region, die im heutigen Somalia oder Eritrea vermutet wird. Und auch die Phönizier segelten in der Antike vom östlichen Mittelmeer über Gibraltar bis zu den Britischen Inseln und legten hierbei hunderte von Kilometern zurück. Es liegt also auf der Hand, dass diese seefahrenden Völker sich in irgendeiner Form auf dem Wasser orientiert haben müssen, um ans Ziel und insbesondere auch wieder zurück zu kommen.
Doch welche Navigationsverfahren wurden damals angewandt und welche im Mittelalter, in der Frühen Neuzeit und in der Moderne?
Die geografische Wiege der bisher bekannten Navigationsgeschichte wird von einigen Historikern auf dem indischen Subkontinent gesehen, wo sich offenbar bereits vor ca. 6000 Jahren erste Verfahren der Koppel- und teilweise der Astronavigation entwickelten. Kurz danach wurden diese Verfahren offenbar auch in Ägypten und dem heutigen Libanon praktiziert. In Küstennähe fuhr man aber in der Regel auf Sicht (Sichtnavigation).
Die einfache Koppelnavigation, also das Absetzen des Kurses und das Abschätzen der eigenen Abdrift und Geschwindigkeit, wurde im Laufe der Zeit durch erste Messmethoden ergänzt, so dass es um 500 v.Chr. bereits erste Erwähnungen von Lotungen (Messungen der Wassertiefen mit einer mit einem Gewicht beschwerten Leine) gab und sich somit aufgrund der gemessenen Wassertiefe und der verschiedenen Anhaftungen des Meeresgrundes am Gewicht, der sog. „Lotspeise“, Rückschlüsse auf die eigene Position herstellen ließen.
Die Wikinger ergänzten ihre Navigationsmethoden ab dem 7. Jahrhundert n.Chr. mit der Beobachtung von
Vogel-, Wind- und Strömungsbewegungen. Ob sie dabei auch Sonnensteine ( sólsteinn) zur Navigation benutzten, ist bislang nicht seriös belegt worden.
In Polynesien mit seinen vielen Inseln und seinem sehr weitläufigen Seegebiet war die ständige Beobachtung von Sonne, Mond, Planeten und Sternen für die Navigation von zentraler Bedeutung. So kannten polynesische Navigatoren bis zu 300 Sterne und Sternbilder und wussten diese in Relation zu bestimmten Kurssektoren zu setzen. Zusätzlich waren diese Menschen in der Lage, anhand von Fischvorkommen, Untiefen, Strömungen, Beobachtungen von Seevögelflugrichtungen, Art und Beschaffenheit von Treibgut, Wolkenbildung und Tierverhalten Rückschlüsse auf ihre Position und die Kursbestimmung zu gewinnen.
Kompass, Jakobsstab, Astrolabium, Chronometer, Sextant
Seriöse Studien zum Ursprung des Kompasses kommen zu dem trotzdem nicht ganz unumstrittenen Ergebnis, dass chinesische Navigatoren den nassen Kompass bereits um 1000 n.Chr. gekannt haben könnten und seit dem 11. Jahrhundert eine schwimmende, nasse, nach Süden zeigende Kompassnadel, den „Südweiser“ zum Führen ihrer Schiffe benutzt haben könnten. Mit ihm war es möglich, das Schiff in Ergänzung damals bekannter Navigationsmöglichkeiten in eine fest vorgegebene Richtung zu steuern.
Weiter führte die Geschichte der Navigation neben der Erfindung des Kompasses auch zum Einsatz von weiteren Navigationshilfen, wie teilweise erstaunlich genauen Portolanen, Weltkarten und Seehandbüchern, die letztlich eine Sichtnavigation ermöglichten, indem Karte und sichtbares Gelände sowie Landmarken verglichen und Kurse entsprechend angepasst wurden.
Ab dem späten 15. Jahrhundert entwickelte Geräte wie der Jakobsstab und das am Pendelring gehaltene Astrolabium hielten Einzug in die Navigation und führten somit die Astronavigation, also die Navigation nach Sonne und Polarstern, in der portugiesischen Seefahrt zur Praxistauglichkeit.
Um 1780 kamen der in England entwickelte Chronometer und Mitte des 18. Jahrhunderts der Sextant als Navigationshilfen dazu. 1899 fand dann die Funknavigation, also die Positionsbestimmung durch Radiowellen Anwendung in der maritimen Navigation, die 1935 noch durch die Entwicklung der Trägheitsnavigation ergänzt wurde, bei der anhand von Sensoren die räumliche Bewegung des Wasserfahrzeugs und die daraus resultierende geografische Position ermittelt werden konnte.
Heutzutage werden mehrere Satelliten benutzt, um die eigene Position mittels eines automatisierten Messverfahrens (Global Positioning System) bis auf eine Genauigkeit von bis zu 10 m einmessen zu können.
Es gibt also vielfältige Möglichkeiten zu navigieren und vor dem Hintergrund der hier dargestellten Methoden und der damit zurückgelegten Strecken lässt sich auch die Bezeichnung „Steuermannskunst“ nachvollziehen, insbesondere zu Zeiten, wo Kompass und Satellitennavigation noch nicht existierten.
Aber längst sind nicht alle Facetten der mehrere tausend Jahre alten Geschichte der Navigation erforscht, da das Wissen darüber oftmals nur mündlich an die nachfolgende Generation weitergegeben wurde und in bestimmten Bereichen die althergerachte Methodik der Navigation durch moderne Methoden oder sogar durch Geräte verdrängt oder somit in Vergessenheit geraten sind.
Dieses Wissen wieder sichtbar zu machen, ist Aufgabe von Historikern und Forschern der Navigationsgeschichte.
Stephan Karraß
* Foto vom Oberfeuer Krautsand mit freundlicher Genehmigung der Landesluftfahrtbehörde Hamburg und des Wasser- und Schifffahrtsamtes Hamburg
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Dieser Artikel basiert auf Basisinformationen aus dem Artikel "Navigation" aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung (de)). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.